
Ringvorlesung
Frieden schaffen ohne Kompromisse? Zur Ehrenrettung einer Technik der Konfliktregelung mit schlechtem Ruf
Der Wert des Friedens lässt sich am klarsten erspüren und erkennen, wenn Frieden fehlt. Krieg, Terror und weitere Eskalationen von Konflikten aktivieren in besonderem Maße den Wunsch nach Frieden. Doch Friedenshandeln, um die Prozesse des Friedens am Laufen zu halten, findet täglich statt. Für ein friedliches Miteinander kann ständig und auf allen Ebenen, angefangen beim Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten, ein Beitrag geleistet werden.
Doch der Ertrag des Friedenshandelns ist nicht gesichert, was der Titel Frieden riskieren? der Ringvorlesung aufgreift. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wege und Prozesse, in denen Frieden riskiert wird, gibt es? In den sieben Vorlesungen geht es unter anderem um Rechtsfrieden, gerechten Frieden, Kompromiss-Frieden, Friedensperspektiven für die aktuellen Kriege und Friedensgefährdungen sowie weitere wissenschaftliche Perspektiven aus der Friedensund Konfliktforschung.
Georg Simmel, einer der Gründerväter der Soziologie, hat den Kompromiss als eine der „größten Erfindungen der Menschheit“ bezeichnet. In einer Zeit, in der Konflikte zahlreicher und unerbittlicher zu werden scheinen, ist daher vermehrt der Ruf nach Kompromissen und nach Kompromissbereitschaft zu vernehmen. Aber der Kompromiss genießt keinen sonderlich guten Ruf. Kompromisse gelten vielfach als „faul“, als „Kuhhandel“, als Verrat an den verfochtenen Zielen. Zudem mehren sich die Diagnosen einer abnehmenden Fähigkeit und Bereitschaft zum Kompromiss. Der Vortrag wird zeigen, wie sich der Kompromiss heute gegen diese grundlegende Skepsis als leistungsfähige Technik zur Regelung von Konflikten rehabilitieren lässt.
REFERENT Prof. Dr. Ulrich Willems ist Professor für Politische Theorie mit dem Schwerpunkt Politik und Religion an der Universität Münster. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Religionspolitik, der Umgang mit tiefgreifenden Dissensen und fundamentalen Konflikten sowie die Frage nach der Verfassung religiös, moralisch und kulturell pluraler Gesellschaften. Er ist Principal Investigator des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ an der Universität Münster und einer der drei Sprecher des vom Land NRW geförderten Forschungsprojektes „Kulturen des Kompromisses“ der Universitäten Duisburg-Essen, Münster und Bochum.